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ELEKTROBLATTMACHERIN

VERLAGSLEITERIN UND CHEFREDAKTEURIN GUDRUN ARNOLD-SCHOENEN ÜBER IHRE ARBEIT

Herausgeberin und Chefredakteurin Gudrun Arnold-Schoenen gehört seit Jahrzehnten zu den aufmerksamen Beobachtern der Elektrobranche. Im Gespräch berichtet sie über ihre Arbeit und den Wandel im Zeitalter der Online-Medien.

Seit fast 70 Jahren ist das familiengeführte Fachmagazin ElektroWirtschaft das Organ des Bundesverbandes des Deutschen Elektrogroßhandels. Als Gründer-Tochter und spätere Chefin hat Gudrun Arnold-Schoenen einen Großteil davon miterlebt und selbst geprägt. Im Gespräch erzählt sie vom Wandel der Zeit und von ihrem Blick auf die Branche.

Die studierte Betriebswirtschaftlerin und Publizistin Gudrun Arnold-Schoenen leitet seit 40 Jahren die Geschicke des Arnold-Verlags und seiner Zeitschriften. Neben der ElektroWirtschaft gehören dazu die Nahverkehrspraxis und seit 2021 das Elektrofachmagazin BusSysteme. Hauptsitz des Verlages ist die ehemalige Bergarbeiterregion Dortmund-Mengede. Bevor sie in den familieneigenen Verlageinstieg, arbeitete Gudrun-Schoenen für die Marktforschung von Axel Springer und in der Verlagsleitung von Gruner & Jahr.

Frau Arnold-Schoenen, wie oft sind Sie selbst in Ihrem Leben schon interviewt worden?

Nicht sehr oft. Zuletzt haben wir ein Interview gemacht zum 66-jährigen Jubiläum der ElektroWirtschaft. Da hat meine Tochter mich interviewt. Aber meistens sitzt man natürlich auf der anderen Seite.

Der Arnold-Verlag, den Sie leiten, und die ElektroWirtschaft waren von Beginn an familiengeführt. Wie hat das Ganze angefangen?

Angefangen hat es 1911 mit meinem Großvater. Er gehörte zu 11 Geschwistern. Jedes hat von den Eltern einen Goldtaler bekommen. Und mein Großvater hat mit diesem Goldtaler hier in Dortmund-Mengede eine Druckerei gegründet. Er war gelernter Drucker und wollte sich selbstständig machen.

Später ist mein Vater dazugekommen. Er war gelernter Schriftsetzer, hat in Königsberg Betriebswirtschaft und Publizistik studiert und dann als Reporter und Kriegsberichterstatter gearbeitet. Als nach dem Krieg alles kaputt war und mein Großvater ihn gebeten hat, hier einzusteigen, hat er die Druckerei wieder aufgebaut. Er war aber schon Redakteur beim Handelsblatt und wollte nicht abhängig sein von reinen Drucksachen. Deshalb hat er dann den Arnold-Verlag mit eigenen Zeitschriften gegründet. Daraus ist 1955 ist die ElektroWirtschaft entstanden.

Und wann sind Sie selbst eingestiegen?

Im Jahr 1982, als mein Vater schon älter war, hat er mich gefragt, ob ich in den elterlichen Betrieb zurückkehren möchte. Ich war zu diesem Zeitpunkt in der Verlagsleitung von Gruner & Jahr. In den großen Betrieben bist Du aber immer nur ein Rädchen, das Mitgestalten ist schwierig. Deshalb habe ich mich für die Rückkehr nach Dortmund entschieden. 1987 bin ich dann geschäftsführende Gesellschafterin geworden.

Viele Leser können sich Ihre Arbeit vielleicht nicht so genau vorstellen: Wie würden Sie einen typischen Redaktionsalltag beschreiben?

Tja, hektisch! Und es wird spannender, je näher der Abgabetermin rückt. Man hat ja bestimmte Ausgaben, die festgelegt werden. Und dieser Abgabetermin, an dem die Redaktion das Heft an die Druckerei abgeben muss, bestimmt den Alltag.

Und die Inhalte?

Zunächst gibt es natürlich die selbstgewählten Themen. Aber dann bekommen wir auch laufend Informationen von Pressestellen in Verbänden, Unternehmen und Instituten. Die Redaktion muss dieser Nachrichtenflut Herr werden. Was veröffentlichen wir bestimmt? Was kommt unter welchen Umständen in die Zeitschrift? Und was werfen wir garantiert weg? Einmal im Monat machen wir eine Redaktionskonferenz mit dem VEG. Dazu kommen interne Konferenzen, wir müssen Interviews planen und führen, bei Meldungen nachhaken. Unterbrochen wird die Redaktionsarbeit von Firmenbesuchen, Pressekonferenzen und Messeterminen. Auch unser Redaktionsplan, in dem wir die Themen für das kommende Jahr festgelegen, ist sehr dadurch geprägt, was für Veranstaltungen stattfinden.

Als Organ des Bundesverbandes des Elektro-Großhandels hat die ElektroWirtschaft ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Wie wirkt sich das auf die Inhalte aus?

Dadurch, dass wir uns auf die Unternehmen des dreistufigen Vertriebs konzentrieren. Also auf die Vertriebskette Hersteller, Großhandel, Kunde. Über Firmen, die nur über den zweistufigen Vertrieb gehen, veröffentlichen wir allenfalls kurze Informationen. Siemens zum Beispiel hatte früher mit seinen E-Centern einen eigenen Großhandel. Deshalb durften wir über Siemens nie berichten. Ein großes rotes Tuch. Das hat sich aber zum Glück geändert. Siemens hat die E-Center gegen Ende der 1990er Jahre aufgelöst und versucht, über uns Kontakt zu den Großhandlungen zu bekommen. 2000 durften wir dann auch die ersten Anzeigen annehmen.

Ein Grußwort zum Start des Magazins von höchster Stelle: Der damalige Bundeswirtschaftsminister und spätere deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard wünscht „guten Erfolg“.

Was interessiert Ihre Leser denn am meisten?

Persönliches. Sie kennen das ja von den letzten Seiten der Tageszeitungen. Wo hat es Veränderungen gegeben? Welche Personen haben ihre Stellung gewechselt? Aber auch bei Firmen: Was hat sich da getan? Das sind immer Inhalte, die gerne gelesen werden. Ansonsten natürlich die Produktneuheiten. Und auch Interviews sind etwas, das immer gerne gelesen wird.

Bei uns sind die Leser ja zweigeteilt, wenn Sie so wollen. Wir haben einmal die Elektrogroßhändler und -handwerker. Die interessieren natürlich die Interviews mit den Geschäftsführern der Hersteller. Umgekehrt lesen die Hersteller sehr gerne Berichte über die Elektrogroßhandlungen. Viele sagen uns: Bevor sie ihre Jahresgespräche haben, gucken sie nochmal in die ElektroWirtschaft. Das ist auch der große Unterschied zwischen einer Fachzeitschrift wie uns und einer Tageszeitung. Die Tageszeitung ist am nächsten Tag nicht mehr aktuell. Die wird dann nur noch genommen, um Fisch damit einzupacken.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Welt der Elektrobranche verändert?

Wenn ich auf den Großhandel schaue, hat es natürlich sehr starke Veränderungen gegeben. Es gibt nicht mehr so viele Großhandelsunternehmen, gleichzeitig gibt es viel mehr Filialen. Bei der Entwicklung von Produkten ist es sicherlich das Thema Digitalisierung. Das Thema hat die Elektrobranche sehr verändert und spielt heute eine sehr große Rolle.

Was sind aus Ihrer Sicht gerade die Topthemen in der Branche?

Energie, Elektrifizierung, Elektromobilität. Wiedergekommen ist außerdem die Photovoltaik. Ein großes Thema jetzt zurzeit ist natürlich auch die Lieferfähigkeit. Dass die Firmen nicht immer das produzieren können, was sie wollen, weil der Nachschub elektronischer Teile aus China fehlt. Gerade erst hatte ich ein Gespräch mit einem Geschäftsführer, der meinte, sie hätten eigentlich das Doppelte produzieren und verkaufen können. Ein wichtiges Thema ist auch der Fachkräftemangel.

Und welches Stimmungsbild nehmen Sie wahr, wenn Sie mit Vertretern der Hersteller sprechen?

Eigentlich boomt es. Wir sind ja in der glücklichen Lage im Elektrobereich durch die Bautätigkeit, dass wir eigentlich in einer tollen Branche sind. Und alles, was mit Gebäude zu tun hat, ist Elektrifizierung. Auch der Großhandel erzielt zurzeit Rekordergebnisse. Ukrainekrieg und Gasembargo dämpfen die Erwartungen natürlich und führen dazu, dass sich der Himmel etwas eintrübt. Insgesamt sind die Hersteller aber optimistisch.

Auch die Medien-Welt hat sich vor allem durch das Internet stark verändert. Wie hat die ElektroWirtschaft auf diese Veränderungen reagiert?

Für die ElektroWirtschaft gilt: Zeiten ändern sich, aber Marken bleiben. Wir sind crossmedial aufgestellt.1998 hatten wir die erste Website. Das war für eine Fachzeitschrift relativ früh. 2012 haben wir die erste App erstellt und 2017 haben wir für digitale Medien ein Büro in Freiburg gegründet. 2018 sind wir dann auch in den Bereich Social Media eingetreten. Auf den Messen gehen wir zu Firmen und drehen Videos. 2021 haben wir den ersten Podcast gemacht.

Der Redaktionsalltag hat sich dadurch natürlich sehr verändert. Früher gab es 12 Druckausgaben im Jahr. Heute müssen täglich News veröffentlicht werden. Dadurch ist die Arbeit noch etwas schneller geworden. Ursprünglich war es auch so, dass wir gesagt haben, es gibt den Print-Redakteur und es gibt den Onlineredakteur. Hier in Dortmund-Mengede ist das Printhaus, in Freiburg ist unser digitales Haus. Aber eigentlich verschwimmt es immer mehr.

Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen Druckausgabe und Online-Kanälen? Was ist wichtiger?

Noch immer die Printausgabe. Sie wird sehr stark gelesen. Wir machen ja auch Umfragen. Viele sagen, sie möchten die Zeitschrift in der Hand haben. Sie möchten die noch bekommen und lesen. Ich selbst komme natürlich vom Druckhaus und wenn die Zeitschrift geliefert wird, genieße ich den Geruch der frisch gedruckten Seiten. Im Online-Bereich ist der Newsletter sehr stark, weil er erste Informationen liefert. Aber ich bin der Meinung, dass gute Fachartikel lieber im Print gelesen werden als online.

Sehen Sie, wir sitzen ja alle den ganzen Tag vor diesem Computer, diesem Bildschirm. Und wie schön ist es dann, wenn man abends mal die Zeitschrift in die Hand nimmt. Ich kann sie mir in Ruhe nochmal angucken und lesen, einfach nochmal blättern und hab auch was für‘s Auge. Ob sich das einmal ändern wird mit der jüngeren Generation, weiß ich nicht. Erstaunlich ist aber immer wieder, dass viele jüngere Leute, bei denen ich denke, die lesen doch bestimmt digital, sagen: „Nee, nee, ich möchte das doch lieber als Heft lesen. Ich finde das schön zu blättern.“

Was empfinden Sie als die größten Herausforderungen ihrer Arbeit?

Zurzeit ganz aktuell: Personalmangel. Das ist wirklich im Moment für uns das große Thema und die größte Herausforderung. Dass man keine geeigneten Leute findet. Dazu kommt natürlich der weitere Ausbau der Online-Kommunikation, vor allem der Website. Da müssen schon große Investitionen getätigt werden.

Und was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß?

Der Kontakt mit Menschen. Dass man viele Menschen in der Branche kennengelernt hat. Die ganze Elektrobranche ist eben wie eine große Familie. Man kennt sich und man schätzt sich, auch wenn man mal anderer Meinung ist. Das ist es, was ich immer am schönsten empfunden habe. Das ist es, was unser Unternehmen auch prägt. Der persönliche Kontakt zu den Leuten.

Und wenn führende Persönlichkeiten aus der Branche Ihnen sagen, dass sie Sie seit Anfang Ihrer Verlegertätigkeit kennen, großen Respekt davor haben, einen kleinen Verlag in der heutigen Zeit so zu führen, und dazu gratulieren. Dann macht das einen schon stolz.

Kommt es denn auch vor, dass Ihnen Gesprächspartner hinter vorgehaltener Hand Dinge sagen, die geheim bleiben sollen?

Ja, das kommt vor. Aber es ist auch das Prinzip unserer Zeitschrift, dass wir das nicht für Sensationsjournalismus nutzen. Wenn etwas an uns herangetragen wird, dann stimmen wir uns ab. Und wenn es so ist, dass die Hersteller oder Großhändler nicht wollen, halten wir es auch noch zurück. Wenn andere es dann anders handhaben und trotzdem veröffentlichen, ärgert einen das manchmal, das gebe ich zu. Aber das ist einfach eine Sache der Fairness. Und deshalb wenden sich ja auch viele an einen, die einfach mal sprechen wollen. Oder die sagen: Was tut sich da, kannst Du mir darüber was sagen? Zum Beispiel über Unternehmen, wenn man wechseln will oder so. Es ist eben eine Sache des Vertrauens.

Auch wenn die ElektroWirtschaft sich mehr um die kaufmännische Seite kümmert: Wie gut steht es denn nach all den Jahren um Ihre eigenen elektrotechnischen Kenntnisse?

Sagen wir mal so: Man lernt dazu. Ich bin kein Ingenieur, das gebe ich ehrlich zu. Ich glaube aber, wichtig ist, die Zusammenhänge zu erkennen. Wissen Sie, es ist so wie mit der Mathematik. Je mehr man sich mit den Themen beschäftigt, desto mehr erfährt man auch und desto interessanter ist es. Besonders gerne beschäftige ich mich mit dem Lichtbereich. Da hat sich viel entwickelt und da hat man sich dann auch ein bisschen reingefuchst. Ansonsten sehe ich meine Aufgabe eher darin, die Themen festzulegen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.